Adventon ist ein ganz besonderer Fleck in der Mittelalterlandschaft.
Eine kleine Siedlung von Mittelalterbegeisterten, die im Laufe der letzten 20 Jahre gewachsen ist. Kleinere und größere Hofstetten verteilen sich lose über ein paar Hektar ehemaligen Ackerlandes um das Gut Marienhöhe in Osterburken.
Wir Siedler – also die Mitglieder des Vereins „Die Siedler e.V.“ – haben hier ein Zuhause gefunden, in dem wir auf einzigartige Weise ins Mittelalter eintauchen können und dieses mit allen Sinnen erleben können.
Nicht auf einem Mittelaltermarkt oder einem Museum zum reinen Anschauen – sondern zum Mitmachen und Miterleben. Jeder auf seine eigene Art.
Klar, Gewandung und Essen gehören als Basis erst einmal dazu. Aber einmal die Wolle pflanzlich färben? In einem Kessel über dem offenen Feuer? Oder auch einmal die Tiere „begreifen“, die einem die Wolle liefern? Oder ein kleine Feld Flachs anbauen und vom ersten Keimling bis hin zum fertigen Stoff alle Stationen selbst mitbekommen?
Oder auf der anderen Seite einmal nicht „nur“ über dem Feuer sein Essen zuzubereiten? Vielleicht als selbst gezogenen historischen Gemüsesorten? Langsam über viele Stunden den Keramiktopf neben dem Feuer zu drehen?
Sich in einer kleinen Werkstatt – oder einfach auf einem Schemel vor der Haustüre einem Handwerk nachgehen? Als Schmied erfahren, wie sich hartes Metall unter den Hammerschlägen formt? Mitzuerleben, wie wenig an technischen Hilfsmitteln es wirklich braucht, damit Bronze flüssig wird und sich in eine Form gießen lässt. Ton abzubauen, aufzubereiten, zu formen und in einem Holzfeuer zu brennen? Die Weidenruten wachsen zu sehen, zu schneiden und in einen Korb zu flechten? Aus einfachem Holz ein wohlklingendes Musikinstrument wachsen zu lassen?
Viele unserer Siedler haben sich ein eigenes Haus geschaffen. Nicht aus „Baumarktware“, sondern es fing mit rohen Baumstämmen an, die mit Beil, Säge und Stemmeisen sich zu einzelnen Balken geformt wurden, mit traditionellen Holzverbindungen (also auch ohne die „handgeschmiedeten Spiralsternnägel“) zu einer kleinen Hütte oder größerem Haus zusammenfügen. Ein Dach aus Holzschindeln, Reet oder Schiefer, eine Wand aus Flechtwerk und „Dreck“ – Stroh und Lehm. Es braucht keinen Zimmermannsmeister, keinen Maurermeister, keinen Elektriker, um sich mit den eigenen Händen eine Behausung zu schaffen. Und wenn man einmal nicht weiterkommt oder weiter einfach nur eine Hand mehr braucht – wir sind eine Gemeinschaft, in der man sich „wie früher“ gegenseitig hilft.
Und dann sitzt man nach dem Tagwerk abends gemütlich vor dem Feuer, musiziert oder singt zusammen, redet miteinander, isst und trinkt – ganz einfach die Zeit und die Gemeinschaft miteinander genießen.
Selbst erfahren – sei es als aktiver im Verein, als Helfer oder einfach als Besucher – hier kann jeder mit anpacken – oder auch den anderen bei ihrer Arbeit zusehen und voneinander lernen.
Das ganze Projekt lebt nur von den Mitgliedern – wir erhalten (absichtlich) keine Zuwendungen von öffentlicher Hand – damit sind wir uns selbst überlassen, ohne dass von außen irgendwelche Forderungen an uns getragen werden. Klar hat das auch Nachteile, wenn man so auf sich selbst gestellt ist. Einzelne Projekte können schon mal ins Stocken kommen oder gar abgebrochen werden. Aber nichts ist perfekt, und diese Art, unser Adventon aufzubauen, haben wir uns selbst gewählt. Es gibt im Hintergrund eben keine bezahlten Mitarbeiter, sondern alles muss von uns selbst erbaut, gepflegt, in Stand gesetzt – oder auch einmal rückgebaut werden. In unserer Freizeit, im Urlaub, am Wochenende – und (bis auf einige Spenden) auch auf eigene Kosten. Das dauert dann gerne einmal etwas länger – beim einen kommt der Job dazwischen, oder eine Krankheit, oder es gibt einfach andere Themen im Leben, die gerade Priorität haben. Aber dann hilft man sich im Verein auch einmal aus.
Und ja klar, das große A hat auch seine Grenzen. Wir leben alle nicht dauerhaft im Mittelalter (auch wenn sich der eine oder andere Rentner schon einmal eine längere Pause vom normalen Leben gönnen kann, aber die meisten von uns gehen unter der Woche einem ganz normalem Job nach, leben in modernen Häusern und haben oft Familie. Um hier das eigentliche Hobby genießen und die Zeit effektiv nutzen zu können kann nicht immer alles ganz ohne Moderne erledigen. So haben wir nicht genug Mitglieder, um die großen Flächen mit der Sense gemäht zu halten – also kreist auch mal ein Traktor über die Wiesen, um diese für die großen Veranstaltungen vorzubereiten. Oder schwere Balken werden nicht von zig Menschen auf das Dach gewuchtet, sondern auch hier greift gerne einmal eine Maschine an. Und nach einem harten Tag an Arbeit muss man sich auch nicht immer über das Feuer beugen, um sich ein Essen zu kochen – hier kommt auch schon mal eine TK-Pizza oder ein Döner zu Hilfe. Auch wenn wir nach Möglichkeit vieles Authentisch haben wollen, so leben wir eben nicht im Mittelalter, sondern müssen Kompromisse eingehen. Und hier „optimieren“ wir es so, dass wir die meiste Zeit dafür verwenden, was uns am meisten am Herzen liegt.
Unter der Woche ist der Park für Besucher geschlossen. Hier haben wir Zeit und Muße, an unseren Projekten ungestört zu arbeiten. Oft werkeln wir hier „im kleinen Kreis“, experimentieren und genießen diese Zeit. An den Sonntagen haben wir geöffnet, hier findet oft ein reger Austausch mit den unterschiedlichsten Besuchern statt. Manche nutzen das Gelände für einen gemütlichen Spaziergang in einer schönen Umgebung (und einer günstig gelegenen Einkehrmöglichkeit), mit anderen entwickeln sich stundenlange Gespräche, man tauscht Erfahrungen aus und lernt auch selbst dazu.
Mehrfach im Jahr finden Events statt – an den Tagen der offenen Türe präsentieren wir unseren Park, unsere Arbeit, unsere gewählte Zeit und unsere Darstellungen. An den Siedlertagen legen wir einen Fokus auf das Leben in unserer Gemeinschaft. Auch hier finden öfters besondere Aktionen statt, die einen besonderen Einblick insbesondere in vergangen Handarbeits- und Handwerkstechniken geben.
Im Herbst laden wir dann zu zwei großen Veranstaltungen ein – dem Wikifest im September und der Großen Schlacht im Oktober – einem der größten Frühmittelalter-Kampfevents Europas.